Florian Illies: Generation Golf zwei
Rezension von Günter KaindlstorferEines muß man Florian Illies lassen: Chuzpe hat er. Drei Jahre nach seinem Lifestyle-Bestseller "Generation Golf" pfeffert der 32jährige jetzt eine Fortsetzung auf den Markt: "Generation Golf zwei". Der Inhalt des Buchs in wenigen Worten zusammengefaßt: Neokonservativismus mit Augenzwinkern. Offenbar geht das rein bei den Leuten. Wer nämlich glaubt, das Publikum hätte sich an den charmanten Flappsigkeiten des FAZ-Redakteurs a. D. bereits sattgelesen, irrt. In der "Spiegel"-Bestsellerliste rangiert Illies\' jüngstes Werk bereits wenige Wochen nach seinem Erscheinen auf den vordersten Rängen.
"Generation Golf zwei" – die Verlagsstrategen des Hauses Blessing werden sich wohl gesagt haben, warum soll, was Arnold Schwarzenegger und dem "Terminator" reingeht, nicht auch bei Florian Illies funktionieren? Und es funktioniert. Im wesentlichen bietet Illies in seinem jüngsten Buch das Gleiche wie in seinem Erstling. Amüsante Sottisen gegen Wellness-Trend und Berlin-Hysterie paaren sich mit ironischen Respektlosigkeiten gegen die 68er und ihre politisch korrekten Nachfolgegenerationen.
OT Illies: "Man findet eigentlich diese 68er und ihre Epigonen nur mehr lächerlich... diese leidenschaftliche Engagement hält man für lächerlich... was diese Generation ausmacht: Sie will sich ihre gute Laune nicht verderben lassen... Wir kümmern uns nicht darum, ob ein AKW in die Luft fliegt, darum kümmern sich sowieso die 68er... Sie kümmern sich eigentlich nur noch um sich selber. Eine Generation von ganz, ganz vielen Individuen, die das Gefühl haben: man muß sich um sich selber kümmern, dann ist an alle gedacht."
Dabei weiß Illies genau: Mit der Baisse an den Börsen und dem Niedergang der New Economy ist die einst so selbstbewußte Generation Golf aufs schmerzhafteste zurechtgestutzt worden. Viele seiner Freunde, seufzt der Jungautor, hätten noch vor drei, vier Jahren als Start-Up-Unternehmer eine dicke Lippe riskiert, während sie sich heute mit den Schalteröffnungszeiten des Arbeitsamts Berlin-Mitte vertraut machen müssen. Katzenjammer ist angesagt unter den Thirty-Somethings von heute. Umso mehr, als auch der 11. September und die Kriege im Irak und in Afghanistan ihre Spuren hinterlassen haben im kollektiven Bewußtsein der deutschen Jugend. Um einen entsprechend melancholischen Tonfall bemüht sich Illies in seinem neuen Buch.
Zitat:
"Unsere Generation hat bisher ja, wie es sich für eine ordentliche Jugend gehört, geglaubt, daß das Beste noch vor uns liege. Doch plötzlich beginnen wir zu ahnen, daß wir das Beste vielleicht schon hinter uns haben."
Was sind denn so die Themen, für die sich die Generation Golf im Jahr 2003 begeistert? Wenn Florian Illies neues Buch auch nur einigermaßen repräsentativ ist für die Interessen der jungen Leute, dann müßten engagierte Pädagoginnen und Pädagogen der 68er und 78er-Zeit die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Also, Florian Illies beschäftigt sich in seinem Buch unter anderem mit folgenden Themen: Warum gibt es bei H&M seit geraumer Zeit nur mehr Pyjamas mit Snoopies drauf? Darf man die Zellophanfolie eines frischgeöffneten Nutella-Glases mit dem Messer durchstechen oder nicht? Kann man als Angehöriger der Generation Golf auf der Terrasse des Cafés "Strandbad-Mitte" in Berlin vor einem Glas Latte Macchiato angetroffen werden, ohne allzu mainstreamig zu wirken? Denn nichts, aber auch gar nichts ist den Angehörigen der "Generation Golf" peinlicher als mainstreamig zu wirken.
Andererseits – das gehört zu den unauflöslichen Paradoxa dieser Generation – andererseits will man sich ja gerade mit dem Mainstream arrangieren. Schon in den 70er- und 80er-Jahren hätten er und seinesgleichen einen ehrlich empfundenen Konformismus kultiviert, erinnert sich Illies.
OT Illies: "Die Kindheit eines Generation-Golf-Angehörigen... Baden in der Badewanne.... und "Wetten, daß?" schaute..... denn das war eigentlich das Entscheidende: daß man mitreden konnte."
Das Fernsehen zählt zu den bevorzugten Kulturtechniken der Generation Golf, wenn man Illies glauben darf, zumal den heute 20- bis 35jährigen kraftraubende Tätigkeiten wie Lesen viel zu anstrengend sind. Über Dieter Bohlen und die Eheprobleme von Olli Kahn wissen Illies und seine Freunde so gut wie alles, Loriots preußischer Gentleman-Humor darf durchaus mit ihrem Respekt rechnen, das schon, ihr Abgott aber, das uneingeschränkt umjubelte TV-Idol der Generation Golf, ist Harald Schmidt. Illies betrachtet den inspiriertesten Pointenschleuderer des deutschen Fernsehens seit Jahr und Tag als seinen humoristischen Herrn und Meister. Schon als Pennäler im tiefsten Hessen habe er Schmidts Werdegang im Fernsehen sympathisierend mitverfolgt, erzählt Illies – von den sozialliberalen Anfängen in der Kabarett-Sendung "Schmidteinander" bis zum genialischen Edelzynismus der "Harald Schmidt Show" auf Sat1. Illies erinnert sich noch genau an die revolutionären Veränderungen im Schmidtschen Outfit Mitte der 90er-Jahre.
OT Illies: "Plötzlich war er gut angezogen... merkwürdige Popper-Frisuren, unfaßbar bunte Brillen, unreine Haut, merkwürdige auberginenfarbene Anzüge usw. Dann machte er die "Harald Schmidt Show" und sah plötzlich aus wie ein Vorstandsvorsitzender einer großen deutschen Bank... Wenn man gut angezogen ist, darf man sich alles erlauben. Harald Schmidt hat Witze im deutschen Fernsehen gemacht, die vor ihm nie jemand gemacht hat. Und es war aber alles möglich, weil er so gut angezogen ist. Er zeigte also, daß die Ästhetik das Moralinsaure an sich abzulösen begann."
Nichts verabscheue die Generation Golf mehr als das Moralinsaure der Altlinken und Junggrünen, erklärt Florian Illies. Aber obacht – zumindest in einer Hinsicht sei mit den in Ehren ergrauten 68ern noch zu rechnen, schreibt der Verfasser von "Generation Golf zwei":
Zitat:
"Trotz aller Abgesänge: Die 68er befinden sich zurzeit wieder im Stadium eines gefährlichen Selbstbewußtseins. Die männlichen Vertreter dieser Generation sehen heute aus wie Richard Chamberlain in "Dornenvögel", wie uns Lehrer Doktor Specht oder wie Ulrich Wickert und werden plötzlich zu gefährlichen Konkurrenten um die schönsten jungen Frauen, die sie uns in der Regel, braun gebrannt und charmant parlierend, beim Stehempfang ausspannen."
Mit den schönen, jungen Frauen ist das so eine Sache: Vielleicht hat ein durchschnittlicher 68er einfach mehr zu sagen als die intellektuell doch eher bläßlichen Repräsentanten der "Generation Golf". Florian Illies würde das, so steht zu vermuten, allerdings ganz anders seh
Buchhinweis:
Florian Illies: GENERATION GOLF ZWEI
Blessing Verlag (2003), 224 Seiten, ISBN: 3896672460.
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