Eichborn Verlag (2001), 328 Seiten, ISBN: 3821808586
Dietrich Schwanitz: Männer - Eine Spezies wird besichtigt
Rezension von Günter KaindlstorferIrgendwie hat Dietrich Schwanitz ja was Erfrischendes. Er stromert als angriffslustiger Hecht durch den linksliberalen Karpfenteich der deutschen Öffentlichkeit und erschreckt das rot-grüne-Establishment – ein aufgeklärter Konservativer, ein rechter Provokateur, der die Gewißheiten der 68er und ihrer Nachfolger gehörig durcheinanderwirbelt. Jetzt hat sich Herr Schwanitz das Thema "Geschlechterdifferenz" vorgenommen. Seine These: Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen. Der einstige Anglistik-Professor aus Hamburg schlüpft in die Rolle des ironischen Männer-Kritikers: Männer seien schlampig, angeberisch, gefühlsunfähig und verantwortungslos, schreibt er.
Allerdings: Schwanitz spricht seine Geschlechtsgenossen unverzüglich von jeder Verantwortung frei, denn: Sie könnten gar nicht anders – die Natur hat ihnen das Schicksal auferlegt, unappetitlich zu sein. "Unsere Gene sind die wahren Machos", schreibt der Autor. Wer sich dabei an die verschimmelten Weisheiten des Biologismus unseligen Angedenkens erinnert fühlt, liegt vermutlich gar nicht so falsch. Es ist reichlich abgestandene Kost, die Schwanitz hier serviert. Man könne das Phänomen Mann nur verstehen, behauptet er, wenn wir uns auf die Arbeits-Teilung der Urhorde besinnen.
Zitat:
"Stellen wir uns vor, die Zivilisation sei ein hübsch eingerichtetes Zimmer: Die Möbel sind geschmackvoll und durchdacht arrangiert, der Teppich paßt farblich perfekt, die Tapete ist ein Traum, und die dekorativen Blumensträuße verleihen dem Ganzen eine heitere und frische Note. Steht uns das Bild deutlich vor Augen? Ja? Dann wird uns sofort klar: Der Mann paßt nicht in die Zivilisation. Sie ist einfach nicht sein Biotop."
Wohlaufgeräumte Zimmer machen Männer nervös, erklärt Schwanitz. Als willenlose Sklaven des Testosterons könnten sie gar nicht anders, als das von der liebenden Gefährtin so gefällig arrangierte Wohn-Idyll skrupellos wieder zu zerstören.
Zitat:
"Auf der Suche nach seiner Zeitung wird der Mann das Zimmer rücksichtslos durchpflügen, Möbel beiseite schleudern und eine Schneise der Verwüstung in die Zivilisation schlagen. Fällt er gar in Form einer Horde von Kumpanen in das Zimmer ein, um sich dort einem Gelage, einer Skatrunde oder der Besichtigung eines Fußballspiels im Fernsehen zu widmen, so wird man nachher die Zivilisation nicht mehr wiedererkennen."
Es ist das alte, reaktionäre Rollenklischee, dem Schwanitz hier ein wenig originelles Comeback verschafft. Der Mann als Anarch, als vitaler Barbar, der die muffigen Salons der Zivilisation mit frischem Wind durchlüftet, ein Hunne des 21. Jahrhunderts, ein SA-Mann des Alltags. Dietrich Schwanitz legt natürlich größten Wert darauf, nicht als naturtrüber Stammtisch-Macho von vorgestern zu erscheinen, und so braut er in seinem Buch einen gefälligen Sud aus konservativen Geschlechter-Stereotypen und pseudo-einfühlsamem Psycho-Gesülze. Ohne Rekurs auf die Urhorde kommt er allerdings auch in seinen psychoanalytischen Auslassungen nicht aus. Seit Menschen in Rudeln und zivilisierteren Kollektiven zusammenwohnen, schreibt er, würde Männlichkeit gesellschaftlich konstituiert. Als Kind noch dürfe sich der Bub wie ein Mädchen benehmen, er dürfe weinen, Ängste äußern und sich ohne Furcht vor Entehrung seinen Gefühlen hingeben. In den Initiationsriten der vormodernen Kulturen, die heute in verwandelter Form nach wie vor wirkungsmächtig seien, erfolge dann der Bruch, referiert Schwanitz. In diesen Riten würde der Mann erst zum Manne gemacht.
Zitat:
"Irgendwann, um die Zeit der Pubertät herum, wird der Knabe von den Frauen und Mädchen getrennt und einem Härtetest unterworfen. Alle Kulturen kennen diese Prozedur. Dabei werden die Knaben aus der Gesellschaft entfernt und in die Wildnis geschickt. Hier verlieren sie ihre bisherige Identität. Sie müssen lernen, die Einsamkeit und die Verlorenheit auszuhalten, die mit dieser Grenzsituation verbunden sind. Der Junge wird gewissermaßen mit dem Nichts konfrontiert. Seine alte Rolle als Kind wird in ihm selbst vernichtet. Er muß ihre Nichtigkeit erlebt haben."
In der Pubertät lerne der junge Mann, seine Gefühle zu unterdrücken, behauptet Schwanitz. Und das zeitige unerfreuliche Auswirkungen. Nachdem er die Konfrontation mit Schmerz, Angst und Tod übestanden habe, überkomme den Mann ein merkwürdiges Überlegenheitsgefühl gegenüber all denen, die diesen Härtetest nicht mitgemacht hätten, gegenüber Frauen und Kindern beispielsweise. Aber ach, die maskuline Sicherheit sei eine brüchige, denn fortan lebe der Mann in der ausgesetzten Angst, daß sein männliches Ich unter dem Druck der heroischen Anforderungen wieder zerbreche. Dann würde er, was für eine Schmach, wieder zum Kind oder zur Frau. Deshalb müsse sich der Mann in regelmäßigen Abständen, schreibt Schwanitz, seiner Männlichkeit von neuem versichern. Er tue das im rituellen Zusammentreffen mit seinen Geschlechtsgenossen. In Anfällen kollektiver Barbarei schöpfe er dann Kraft für den Daseinskampf als Fußballfan beispielsweise. Das Verhalten von Fußballfans weise verblüffende Parallelen zu den Ritualen prähistorischer Stammeskrieger auf.
Zitat:
"Zu bestimmten Zeiten, wenn die Buschtrommel des HSV ins Volksparkstadion oder die des 1. FC Kaiserslautern auf den Betzenberg ruft, verlassen die Fans ihre Lehmhütten, begeben sich zu den Versammlungsplätzen der Männer, nehmen berauschende Getränke oder Drogen ein, schmücken sich mit den Totems des Stammes und tragen auf ihrer Haut die Farben der Kriegsbemalung auf. Dann marschieren sie gemeinsam zu den Kultstätten des Kampfes. Dort verfallen sie in stundenlange Schlachtgesänge, die abwechselnd der Lobpreisung des eigenen Stammes und der Herabwürdigung des Gegners gewidmet sind."
Möchte eine Frau also wissen, was für ein Wesen ihr Wohnungsgenosse wirklich ist, schreibt Schwanitz, dann sollte sie sich eine Beruhigungstablette einwerfen und eine Karte für Fankurve im Fußballstadion lösen. Dort würde sie endlich das natürliche Soziotop ihres Lebensabschnittspartners zu Gesicht bekommen. Von dieser Art sind die Weisheiten, die Dietrich Schwanitz für die Leser seines neuen Buchs bereithält. Der Bestseller-Autor aus Hamburg präsentiert sich als hanseatischer Schmalspur-Weininger, als augenzwinkernder Chauvie, der sich um Originalität bemüht und dabei auch vor plattesten Klischees nicht zurückschreckt. Wie käme er sonst zu Diagnosen wie dieser?
Zitat:
"Der Mann fühlt sich in der Zivilisation einfach nicht heimisch. Ihm das vorzuwerfen, hieße, einem Büffel darüber Vorhaltungen zu machen, daß ein Antiquitätenladen nicht seine natürliche Umwelt darstellt. Und so wie der Büffel große Flächen von Steppe mit Tümpeln und Schlammlöchern braucht, so braucht der Mann Hobbykeller, Garagen, Sportplätze und Kneipen, wo er sich in Gesellschaft anderer Männer suhlen kann."
Dietrich Schwanitz suhlt sich in biedersten Stereotypen. Wenn sein Buch auf geistreiche Weise reaktionär wäre, dann könnte man darüber streiten. Weil die zentralen Thesen des Druckwerks aber nur eines sind, spießig, lohnt sich das eigentlich auch nicht.
Buchhinweis:
Dietrich Schwanitz: MÄNNER – EINE SPEZIES WIRD BESICHTIG
Eichborn Verlag (2001), 328 Seiten, ISBN: 3821808586.
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