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Michael Moore: VOLLE DECKUNG MR. BUSH
Piper Verlag (2003), ISBN: 3492242502

Michael Moore: Volle Deckung Mr. Bush

Aus dem Englischen von Michael Bayer, Helmut Dierlamm, Thomas Pfeiffer und Heike Schlatterer
Rezension von Günter Kaindlstorfer


Dieser Mann hat eine Mission. Michael Moore zieht als Populist der Aufklärung durch die Lande, als Wanderprediger des politisch Korrekten, seine Filme über die Schattenseiten des American Dream sind Publikumshits, seine Bücher stürmen die Charts, nicht nur in den USA, auch in Frankreich, auch in Deutschland. "Volle Deckung Mr. Bush" heißt das jüngste publizistische Geschoß aus Moores publizistisch-ballistischer Werkstatt, ein gnadenlos polemisches, ein erfrischend boshaftes Buch, in dem der wortgewaltigste Agitator der US-amerikanischen Linken sein liebstes, sein allerliebstes Hassobjekt ins Visier nimmt: den amtierenden Präsidenten im Weißen Haus. Michael Moore macht sich nicht nur über die intellektuellen Unterkapazitäten George W. Bushs lustig, sondern auch über die allerorten in den USA grassierende Terror-Hysterie. In einem – selbstverständlich "gefaketen" – Vorwort schreibt er:

Zitat:
"Dieses Buch wurde vom Ministerium für Heimatschutz freigegeben. Es enthält keine aufrührerischen oder verräterischen Reden oder Handlungen. Jedes Wort wurde von einem Team von Terrorexperten untersucht und analysiert, um sicherzustellen, dass es dem Feind weder hilft noch ihn ermuntert. Dieses Buch enthüllt keine Staatsgeheimnisse, auch werden in ihm keine der Geheimhaltung unterliegenden Dokumente öffentlich zugänglich gemacht, die den Vereinigten Staaten von Amerika oder ihrem Oberkommandieren peinlich werden könnten. Dieses Buch enthält keine geheimen Botschaften an Terroristen. Dies ist ein gutes, christliches Buch, geschrieben von einem patriotischen Amerikaner, der weiß, dass wir ihn vernichten werden, sollte er jemals aus der Reihe tanzen."

Michael Moores Buch gehört einer ehrwürdigen literarischen Gattung an, der Gattung des Pamphlets. Der 49jährige Bestsellerautor steht in einer ruhmreichen Tradition widerständigen Publizierens, die gerade in den USA die Herrschenden immer wieder in Verlegenheit gebracht hat, von Henry David Thoreau bis zu den "Muckrakers" rund um Upton Sinclair und Ida. M. Tarbell, die zur Zeit der Jahrhundertwende mit schonungslosen Sozialreportagen für Aufsehen gesorgt haben. Michael Moore – das zeigt auch die Lektüre seines jüngsten Buchs – ist ein glanzvoller Polemiker. Rhetorisch zieht der Mann alle Register: Die Kunst der Unterstellung beherrscht er ebenso souverän wie das Handwerk der karikierenden Zuspitzung. Sind die Opfer des 11. September tatsächlich dafür gestorben, fragt er polemisch, dass George W. Bush das ganze Land in Texas verwandeln darf? Michael Moore – der unumschränkte Champion in Sachen Bush-Bashing.

Im ersten Teil der Streitschrift richtet Michael Moore sieben kritische Fragen an "George von Arabien", wie er den obersten Kriegsherrn der Vereinigten Staaten in höhnischer Diktion tituliert.

Zitat:
"Frage eins, lieber George: Stimmt es, dass die Bin Ladens in den letzten 25 Jahren immer wieder geschäftliche Beziehungen zu dir und deiner Familie unterhielten?"

Das stimmt offenbar. Moore weist nach, daß Osamas Bruder Salem bin Laden in den späten Siebziger Jahren 50.000 Dollar in die texanische Ölfirma George W. Bushs investierte. Eine seltsame Koinzidenz, fürwahr. Auch mit Bush senior scheinen die Bin Ladens geschäftlich verbandelt zu sein.

Zitat:
"Die meisten Amerikaner sind sicher überrascht zu hören, dass du und dein Vater die Bin Ladens schon so lange kennen. Wie würdest du diese Beziehung definieren, Mr. Bush? Seid ihr mit der Familie eng befreundet, oder sind die Bin Ladens nur gelegentliche Geschäftspartner?"

Noch etwas gibt Michael Moore zu denken: In den ersten Tagen nach dem desaströsen Anschlag von Manhattan herrschte über dem Luftraum der USA ein strenges Flugverbot. Eine Ausnahme wurde offenbar für die Mitglieder der Familie Bin Laden gemacht. 24 Mitglieder der Familien Bin Laden, die sich in den USA aufhielten, seien von einem Privatjet in Los Angeles, Washington und Boston zunächst eingesammelt und dann nach Europa evakuiert worden.

Zitat:
"Mr. Bush, das ist jetzt nicht persönlich gemeint, aber ich saß am Morgen des 11. September in Los Angeles fest. Ich balgte mich mit anderen um einen Mietwagen und fuhr dann 4800 Kilometer nach Hause – nur weil nach dem Anschlag alle Flüge gestrichen waren. Und zu diesem Zeitpunkt dürfen ausgerechnet die Verwandten von Bin Laden im Privatjet kreuz und quer über Amerika herumdüsen und dann das Land verlassen. Kannst Du mir das erklären? Tausende saßen fest und durften nicht fliegen, aber wenn man nachweisen konnte, dass man mit dem größten Massenmörder in der amerikanischen Geschichte verwandt war, dann bekam man einen Gratisflug ins schöne Paris!"

Wie paßt das ins Bild vom gerechten Anti-Terror-Krieg? Eine Frage, die das Weiße Haus tatsächlich dringend beantworten sollte. Manchmal wird\'s auch ein bißchen obskur in Michael Moores Streitschrift. Er sei, Gott bewahre, kein Anhänger von Verschwörungstheorien, beteuert der Autor. Allerdings geht es eindeutig in die Richtung Verschwörungstheorie, wenn Moore die Vermutung in den Raum stellt, Osama bin Laden sei gar nicht für die Anschläge vom 11. September verantwortlich gewesen. Ein Mann, der wie Bin Laden in einer afghanischen Höhle hocke und wegen eines Nierenleidens angeblich an der Dialyse hänge, ein solcher Mann könne die Anschläge gar nicht dirigiert haben, spekuliert Moore. Der Bush-Basher stellt eine ganz andere Vermutung in den Raum:

Zitat:
"George, du warst doch einmal Pilot. Du weißt, wie schwierig ist es, mit einer Geschwindigkeit von über 600 Stundenkilometern ein fünfstöckiges Gebäude zu treffen. Das Wissen, wie man einen Jumbo-Jet richtig fliegt, erwirbt man nicht am Videoflugsimulator in einer schäbigen Flugschule in Arizona. Sowas lernt man bei der Luftwaffe. Nur Staaten haben Luftwaffen, George. Was meinst du, vielleicht haben die Jungs das bei der saudischen Luftwaffe gelernt? Was, wenn das gar keine irren Terroristen waren, sondern Kampfpiloten eines Selbstmordkommandos? Was wenn sie im Auftrag der saudischen Regierung oder gewisser Mitglieder des saudischen Königshauses gehandelt haben? Vielleicht stecken bestimmte Fraktionen im saudischen Königshaus hinter dem Anschlag am 11. September."

Eine Argumentation, die einigermaßen kraus wirkt. Deckt George W. Bush die wahren Attentäter vom 11. September? Man traut dem Mann zwar einiges zu ­ aber das? In den letzten Monaten ist Michael Moore gegenüber einiges an Kritik laut geworden: Der Erfolgsautor recherchiere schlampig, heißt es, sein Bestseller "Stupid White Men" etwa strotze vor ungenauen Fakten und falsch interpretierten Statistiken. Auch scheue Moore nicht davor zurück, Szenen für seine Dokumentarfilme zu stellen. Vorwürfe, die Michael Moore gelassen von sich abprallen läßt. Manche Leute seien eben neidisch, erklärt er. Sein Publikum scheint sich an den kritischen Einwänden ohnehin nicht zu stoßen. Zwei Michael-Moore-Bücher stehen derzeit auf der Bestsellerliste des "Spiegel" – "Stupid White Men" auf Platz eins und "Querschüsse" auf Platz vier. Es müßte schon mit dem Teufel zugehen, wenn sich in wenigen Tagen nicht ein dritter Titel zu den beiden genannten gesellen wird. Die Marketing-Maschinerie für "Volle Deckung Mr. Bush" ist gerade erst angelaufen.


Buchhinweis:
Michael Moore: VOLLE DECKUNG MR. BUSH
Piper Verlag (2003), ISBN: 3492242502.



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