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Zelda Fitzgerald: „Himbeeren mit Sahne im Ritz“, Erzählungen, aus dem Englischen übersetzt von Eva Bonné, Manesse-Verlag, Zürich, 216 Seiten

Zelda Fitzgerald: Himbeeren mit Sahne im Ritz

Rezension von Günter Kaindlstorfer
ORF, Ex Libris, Januar 2017


Sie gehörten zu den Roaring Twenties wie Foxtrott, Jazz und Charleston: die sogenannten „Flapper Girls“ – junge Frauen, die knielange Röcke und kurzes Haar trugen, die rauchten, Alkohol tranken und generell ein keckes, unangepasstes Verhalten an den Tag legten. Zelda Fitzgerald, 1900 als Höchstrichter-Tochter in Montgomery/ Alabama geboren, war so etwas wie die repräsentative Verkörperung dieses Frauentyps.
Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass Flapper Girls auch in Zelda Fitzgeralds Erzählungen eine tragende Rolle einnehmen. Elf Geschichten versammelt der Band „Himbeeren mit Sahne im Ritz“, ein Gutteil dieser Stories entführt uns ins Amerika der 20er- und frühen 30er-Jahre. Es geht um sehnsuchtsvolle, unangepasste Frauen, die von einem glamourösen Leben jenseits des Kinder-Küche-Kirche-Klischees träumen. Da ist zum Beispiel Gracie, Grillhähnchen-Bräterin in einem Kiosk in New Heidelberg/Minnesota. Gracie wird zur „Beliebtheitskönigin“ der Stadt gewählt und darf in einem Stummfilm über die Geschichte des Städtchens mitspielen. Die Hollywood-Träume der jungen Frau, man ahnt es, erfüllen sich dennoch nicht. Wir lernen auch eine Südstaaten-Lady namens „Miss Ella“ kennen, die nach einem grässlichen Liebesunglück in ihrer Jugend allmählich zur alten Jungfer vertrocknet. Wir begegnen der anmutig-lasziven Revuetänzerin Gay, die ihre Mittänzerinnen aussehen lässt wie hüpfende Mortadellawürste; Gay geht nach Paris und stirbt einen frühen, tragischen Tod. Ins New York der goldenen Zwanziger führt die Erzählung „Das Mädchen und der Millionär“, einer der wirklich gelungenen Texte des Bandes:

ZITAT:
„Unter dem geschwungenen Vorbau des ,Ritz’ ließen Mädchen mit kurzen Hermelinmänteln, weichen, weit schwingenden Kleidern und Hüten groß wie Gullydeckel den Nickelglanz der Straßen hinter sich und traten in den Kristallglanz der Lobby.“

Es funkelt und glitzert in der Partywelt der Reichen und Schönen, die New York nicht nur in Sachen Feierkultur zum Hot-Spot der Boomjahre zwischen 1924 und 1929 machten.

ZITAT:

„Das Licht sickerte aus schweren Kronleuchtern in goldblonde Bubiköpfe. Caroline war etwa sechzehn Jahre alt und trug ausschließlich schwarze Kleider, die sich in langen Falten an ihren schlanken, makellosen Körper schmiegten. Sie hatte einen neuen Tanz erfunden, bei dem sie den Kopf zögerlich-verträumt nach rechts und links neigte und die Füße in schneller Folge vom Boden hob... Sie war ehrgeizig, sie war extravagent, und sie war so ziemlich das hübscheste Ding, das die Stadt je gesehen hatte.“

Im Ballsaal des „Biltmore“-Hotels lernt Caroline den Millionärssohn Barry kennen. Barry ist „neunzehn, elegant und wohlerzogen“, wie Zelda Fitzgerald schreibt, „der Traum aller Schwiegermütter, die für ihre Töchter eine strahlende Zukunft planen“. Nach einigen triumphalen Wochen, in denen sich das Paar zwischen „Biltmore“ und „Ritz“ vergnügt, auf Parties, Soireen und bacchanalischen Five-O’Clock-Teas, kommt es zu einer grässlichen Szene im „Ciro’s“-Club. Die schöne Caroline wirft mit Gläsern, Barry lässt sie so diskret wie möglich abtransportieren. Barrys stinkreicher Vater, so heißt es, soll das Partygirl mit einem dicken Scheck und einem teuren Auto abgefunden haben. Caroline kommt über die Trennung nicht hinweg. Sie geht nach Hollywood und dreht, um Barry zu beeindrucken, einen Film:

ZITAT:
„Filmpremieren in Hollywood sind märchenhafte Feste. Die Straße wird mit bläulich-weißem Licht geflutet, das sich wie Glitzerpulver auf das Laub und die Stämme der Bäume legt... Zwischen hunderten von Autos führt der rote Teppich bis an den Eingang des Filmpalastes, das Surren von Kameras begleitet die Ankunft der Stars. Durch ein gigantisches Megaphon wird die wartende Menge am Rand der Lichtschneise mit berühmten Namen beschallt und reagiert wahlweise mit stürmischem Applaus oder raschelnder Stille.“

Bereits mit ihrem ersten Film feiert Caroline einen triumphalen Erfolg. Ob Barry im fernen New York noch einmal auf sie aufmerksam wird?
So glamourös die Welt auch ist, in der sich Zelda Fitzgeralds Heldinnen bewegen: Die meisten von ihnen umweht ein Hauch von Tragik. Sie werden von äußeren Schicksalsschlägen gebeutelt, nehmen auf dem Weg ins Glück die falsche Abzweigung, oder sie überschreiten Grenzen, einem rätselhaften Drang zur Selbstzerstörung folgend,  die frau ohne Gefahr für Leib und Leben besser nicht überschritte.
Nicht alle Erzählungen in „Himbeeren mit Sahne im Ritz“ sind von gleicher Qualität. Es gibt einige starke und eine Reihe schwächerer Texte. Fitzgeralds größtes Manko: die Dramaturgie. In den nicht so geglückten Geschichten werden mehr oder minder interessante Psychogramme exzentrischer Heldinnen gezeichnet, auf der Plot-Ebene indes tut sich wenig bis gar nichts. In drei, vier Fällen hat man es tatsächlich nur mit Charakterstudien zu tun, bloßen Skizzen, keinen durchgearbeiteten Erzählungen. Sprachlich bewegt sich Zelda Fitzgerald allerdings durchwegs auf hohem Niveau, was auch in Eva Bonnés einfühlsamer Übersetzung noch deutlich zu spüren ist: Die 1948 verstorbene Schriftsteller schreibt farbig, differenziert, anschaulich und humorvoll, manchmal streut sie trockene Pointen ein, ihre Figuren zeichnet sie mit kühler, nüchterner Präzision. Die Schauplätze von Zelda Fitzgeralds Short-Stories sind New York, Paris, die Cote d’Azur und immer wieder der träge amerikanische Süden, dem die Autorin in einigen Erzählungen ein einprägsames Denkmal gesetzt hat. In den besten Geschichten des Bandes geht es um den Traum vom rauschhaften und intensiven Leben, den Fitzgeralds Heldinnen träumen –  und um den Preis, den sie dafür zu zahlen bereit sind. Er ist bisweilen hoch.

Zelda Fitzgerald: „Himbeeren mit Sahne im Ritz“, Erzählungen, aus dem Englischen übersetzt von Eva Bonné, Manesse-Verlag, Zürich, 216 Seiten


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