Jakob Arjouni: Der heilige Eddy
Rezension von Günter KaindlstorferArjouni war schon besser. Im neuen Roman des 44jährigen stimmt so manches nicht, auch wenn man sich da und dort, in der einen oder anderen Szene, in diesem oder jenem gewitzten Dialog wunderbar unterhält.
Worum geht’s? Arjouni begleitet den Berliner Trickbetrüger Eddy Stein durch seinen turbulenten Alltag. Eddy, eigentlich „Akustikpunk“-Straßenmusiker, bessert sich seine bescheidenen Einkünfte durch pfiffige Betrügereien auf: Er knöpft provinzlerischen Geschäftsreisenden ihre Geldbörsen ab oder verklopft pubertierenden Upper-Class-Schnöseln aus Zehlendorf eine Prise glattes Mehl als überpreisiges „Biokoks“. Nicht unsympathisch, der Bursche, eine Art Felix Krull mit Berliner Vorstadt-Charme.
Eines Tages allerdings kriegt Eddy Probleme. Auf dem Heimweg von einem Coup – er hat einem Manager aus dem Ruhrpott gerade ein paar tausend Euro abgenommen – trifft er im Stiegenhaus vor seiner Wohnung den Imbissbuden-Millionär Hotte König, ausgerechnet Hotte König, den "meistgehaßten Mann Berlins". Der Finanz-Spekulant König, in den USA einst mit einer Bratwurstkette zu Geld gekommen, hat achttausend Arbeitsplätze auf dem Gewissen, nachdem er mit den sogenannten „Deo-Werken“ spekuliert hat und sie nun abwickeln will. In Eddys Wohnhaus ist Hotte König auf der Suche nach seiner Tochter Romy, die hier im Hause wohnt, just einen Stock unter Eddy. Der Heuschrecken-Kapitalist mit Unterwelt-Touch wirkt etwas gereizt. Es kommt zu einem aggressivem Wortwechsel zwischen Eddy und ihm, König verpaßt dem Trickbetrüger eine Ohrfeige, Eddy wehrt sich, rammt dem Gegner eine Faust in den Schritt, woraufhin König stürzt, und zwar äußerst unglücklich: Er fällt auf den Hinterkopf – und kommt zu Tode.
Unten vorm Haus warten zwei stiernackige Bodyguards auf ihn, und Eddy hat ein Problem. "Er kommt sich vor", schreibt Arjouni, "wie ein Variete-Zauberer, der ein Leben lang mit Kaninchen und Spielkarten gearbeitet hat und nun plötzlich vor der Aufgabe steht, einen Elefanten von der Bühne verschwinden zu lassen."
Auf 240 Seiten schildert Jakob Arjouni, wie sein Protagonist sich der Leiche entledigt und dabei verzweifelt versucht, seine Spuren zu verwischen. Eddy zerstückelt Hotte Königs Körper in seiner Wohnung und verstaut den Leichnam sachgerecht zerlegt im Hohlraum eines Sofas, dann ruft er einige Speditionsarbeiter sowie seinen Kumpel Arkadi herbei und trägt mit deren Hilfe das Sofa an den mißtrauischen Leibwächtern vorbei aus dem Haus. Sehr unwahrscheinlich, das Ganze. Dann fahren Eddy und Arkadi in ein abgelegenes Waldstück vor den Toren der Stadt und fackeln das Sofa ab.
Das alles ist ziemlich waghalsig konstruiert und vollkommen unglaubhaft. Schlimm genug für einen Krimi. Daß Arjouni seinen Helden dann auch noch der schönen Tochter Hottes nachstellen läßt, dem Glamourgirl Romy, daß ihn Romy in der Halle des Hotels Kempinski während der Begräbnisfeierlichkeiten für den Vater ausgerechnet mit den abgegriffensten aller Wendungen anspricht – „Entschuldigung, haben Sie vielleicht Feuer?“ -, daß Eddy und Romy am Ende ein Liebespaar werden, das alles sind der Unwahrscheinlichkeiten zu viele. Man kauft Arjouni kein Wort ab, letztlich das Todesurteil für einen Thriller.
Um nicht mißverstanden zu werden: „Der heilige Eddy“ liest sich streckenweise wirklich witzig. Arjouni prunkt auch immer wieder mit brillanter Situationskomik und tollen Dialogen – kaum jemand schreibt so gute Dialoge wie er -, aber das kostbarste Gut eines Romanautors, seine Glaubwürdigkeit, wird hier bereits im ersten Romandrittel bravourös verspielt. Jakob Arjouni, Deutschlands bester Krimiautor, hat überzeugendere Romane geschrieben als diesen hier. Schade.
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